Durch die Corona-Pandemie veränderte sich die Lehrkräftefortbildung in Hessen grundlegend. War es zuvor noch möglich, dass Lehrkräfte an ganztägigen Fortbildungen teilnehmen, um sich weiter- und fortzubilden, so erlaubte das Kultusministerium seit der Pandemie im Wesentlichen nur noch ganztägige Fortbildungen in Bezug auf Digitalisierung und digitales Lernen im Unterricht. Andere Fortbildungen sollten die Lehrkräfte dann nachmittags nach ihrem Unterricht, am Wochenende oder in den Ferien besuchen.
Nun kündigt sich (Meldung der HNA vom 04.11.2025) die Abwicklung der einzigen traditionsreichen Fortbildungsstätte in Nordhessen an: Die Reinhardswaldschule soll schließen! Das zuständige Ministerium möchte seinerseits daher auch auf Online-Formate umstellen oder Lehrkräfte zur Fortbildung aus Nordhessen nach Gießen oder weiter in den Süden schicken. Solche Veranstaltungen sind mit diesem Aufwand unattraktiv, nicht nur, weil die Anfahrt mehr Zeit benötigt.
Online ersetzt nicht Präsenz
Wie allgemein bekannt ist, stellen Online-Formate von Fortbildungen keinen echten Ersatz für Präsenz-Fortbildungen dar, da wichtige zwischenmenschliche Interaktionen entfallen, völlig abgesehen von technisch auftretenden Pannen: Es sind Notlösungen, die zugunsten von Kosteneffizienz auf elementare menschliche Bedürfnisse verzichten, wohl wissend, dass stundenlanges konzentriertes Arbeiten am Bildschirm nachweislich ermüdend ist und man den dargebotenen Inhalten dann weniger gut folgen kann.
„Otto-Normal-Beschäftigte“ besuchen Fortbildungen während ihrer Arbeitszeit oder sie wird ihnen zumindest als solche angerechnet. Nach mehreren großen Arbeitszeitstudien der GEW zeigt sich, dass Lehrkräfte im Schnitt über 47 Stunden pro Woche arbeiten (dabei ist der Erholungsurlaub von 30 Tagen bereits berücksichtigt). Die Vorstellung vom Kultusministerium nun auch noch Fortbildungen in die Zeit nach dem eigentlichen Unterricht outzusourcen erscheint dabei nicht mal mehr fragwürdig, sondern als ein Affront gegen sämtliche Lehrkräfte. Nimmt man dieses Ansinnen ernst, dürfte eine Lehrkraft an einer ganztägig arbeitenden Schule erst z.B. um halb vier nach dem Nachmittagsunterricht zu einer Fortbildung aufbrechen. Damit sich Weg und Zeit nicht zu ungünstig zueinander verhalten, müssten diese Fortbildungen dann noch in den frühen Abend hineinreichen. Es sei angemerkt, dass Lehrkräfte schon seit dem Morgen unterrichtet haben. Sollten Lehrkräfte aus Nordhessen nach dem Unterricht dann noch in Präsenz in entlegene Regionen wie Gießen oder Limburg fahren, sind solche Fortbildungen auch nicht mehr ernsthaft sinnvoll. Vor diesen Hintergrund ist es daher notwendig, die nordhessische Einrichtung der Lehrkräfteakademie für Fortbildungen weiterhin in dieser Flächenregion zu belassen, damit auch weiterhin die Möglichkeit für wohnortnahe Fortbildungen besteht.
Für den Kreisvorstand GEW Kassel-Land: Jens Zeiler, Katja Groh, Heidrun Döring und David Redelberger-Engel
Für den GEW-Kreisverband Witzenhausen: Richard Maydorn, Doreen Letzing, Dr. Katharina Lier und Brigitta Richter
Für den Kreisvorstand GEW Kassel-Stadt: Christiane Stock, Simon Aulepp und Martin Gertenbach
Autor: Richard Maydorn | Layout: Jens Zeiler (vom 04.11.2025)
Aktualisiert: 06.11.2025 | Bild: freepik.com